„Papier ist wie die Erde, auf der etwas wachsen kann“
Im Gespräch mit der Paper Art Award Preisträgerin Aja von Loeper
Die Künstlerin Aja von Loeper ist in der Ausstellung Seduce me, paper mit ihren „Weißen Blättern“ vertreten, für die sie in diesem Jahr mit dem Paper Art Award in Bronze ausgezeichnet wurde. Ab September wird nun ihre neue Einzelausstellung in der Galerie Werner Schneider im Venet Haus in Neu-Ulm zu sehen sein. In einem Interview mit dem Haus des Papiers spricht Aja von Loeper über die Bedeutung des Paper Art Awards, gibt Einblicke in die Entstehung ihrer einzigartigen Arbeitsweise und spricht mit uns - natürlich - über Papier.
HdP: Liebe Aja, bei unseren Führungen durch das Museum werden wir häufig nach der Technik gefragt, mit der du deine Objekte erschaffst. Viele unserer Besucher*innen sind ganz erstaunt, wenn sie erfahren, dass du das Papier mit nichts weiter als einem Buchenholzgriffel und deiner eigenen Körperkraft bearbeitest. Bitte erzähle uns, wie du zu deiner Arbeitsweise gefunden hast.
Aja von Loeper:
Meine eigene Handschrift zu finden, war ein langer Prozess, der während meines Studiums im Jahr 2000 begann - genauer gesagt meine eigene Handschrift mit dem weißen Blatt Papier. Damals entwickelte ich meine Technik mit dem Buchenholzgriffel. Vorher zeichnete ich auf Papier. Ähnlich wie Paul Cézanne, der immer wieder Obst-Stillleben malte, habe auch ich nach einem eigenen Motiv gesucht. Als Impuls diente mir eine Birke, die ich bei meinen Spaziergängen im Wald entdeckt hatte. Auf Papier-Formaten von 100 cm x 70 cm zeichnete ich diese Birke immer wieder.
Die Zeit damals war für mich jedoch nicht einfach und es gab vieles, an dem ich mich innerlich abarbeiten musste. In dieser Situation haben mich die radikalen Arbeiten des Künstlers Lucio Fontana sehr stark inspiriert, der mit einem Messer in die Leinwand schnitt. Ich habe also das Papier vor der Birke auf die blanke Erde gelegt und angefangen, mit einem Stück Holz darauf zu schlagen, bis Löcher und Risse entstanden. Das war in jenem Moment sehr befreiend. Aber später habe ich für mich festgestellt, dass Gewalt nicht das Mittel ist, das mir entspricht. Ich verstehe das Papier als einen Körper, den ich nicht verletzen möchte.
Inzwischen schlage ich nicht mehr auf das Papier, sondern das Papier wölbt sich mir in unterschiedlicher Struktur entgegen, je nachdem, wie ich stark ich auf dem Papier reibe und drücke.
HdP: Deine „Weißen Blätter“ wurden in diesem Jahr mit dem Paper Art Award ausgezeichnet. Welche Bedeutung hat dieser Preis für dich?
Aja von Loeper:
Der Paper Art Award hat für mich eine ganz große Bedeutung, weil das Papier im Vordergrund steht. Ich arbeite ja mit dem Papier und nicht auf Papier und genau das wird durch diesen Preis ausgezeichnet. Außerdem hat mir der Preis einen starken Auftrieb gegeben und zu mehr Sichtbarkeit verholfen. Dadurch haben sich für mich neue Möglichkeiten ergeben. In der Galerie Werner Schneider in Neu-Ulm habe ich zum Beispiel ab Ende September eine Einzelausstellung in zwei großen Räumen des Venet Hauses. Ein großer Dank gebührt an dieser Stelle aber auch meiner Galeristin Cornelia Wichtendahl, in deren Galerie noch bis zum 2. September die Ausstellung "Papierwelten" von Alexandra Deutsch und mir zu sehen ist.
HdP: Wie du bereits sagtest, steht das Papier als Material in deinen Arbeiten sehr stark im Mittelpunkt. Gibt es Besonderheiten an dem Papier, mit dem du arbeitest?
Aja von Loeper:
Ich habe sehr lange mit einem bestimmten französischen Aquarellpapier gearbeitet. Immer im Format 100 cm x 70 cm, bis dieses Format plötzlich nicht mehr hergestellt wurde und ein langer Prozess begann, bei dem ich viele unterschiedliche Papiere ausprobierte.
Sehr gute Eigenschaften hat zum Beispiel das Aquarellpapier Britannia, 300 g stark, in Naturweiß von Hahnemühle. Ich experimentiere gerade mit neuen Farbtönen und dieser natürliche Farbton reizt mich ganz besonders. Darüber hinaus besitzt das Papier eine besondere Weichheit.
Interessant für mich war es festzustellen, dass meine Technik nicht mit handgeschöpftem Papier funktioniert, da die Strukturen nicht so deutlich hervortreten. Bei industriell hergestelltem Papier ist das anders. Wenn ich mit diesem Papier arbeite, dann habe ich den Eindruck, dass ich das Natürliche des Werkstoffes extrahiere. Durch meinen Arbeitsprozess öffne ich die Fasern des Papiers und es kann wieder atmen. Aus dem technisch hergestellten Papier wächst etwas heraus, das zu einem organischen Körper wird. Das Papier ist für mich wie die Erde, auf der etwas wachsen kann. Es scheint fast, als würde das Material vergrößert, als wird das Papier mehr. So kommt es zu dem Eindruck skulpturaler Körperlichkeit. Während des Schaffensprozesses habe ich daher immer das Gefühl, ich bekomme etwas geschenkt.
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06. August 2022 von Katharina Grosch