
Museumsguide
a) O. T., 2025 – Kugelschreiber (ohne Tinte) auf Papier
b) O. T., 2024 – Kugelschreiber (ohne Tinte) auf Papier
c) O. T., 2022 – Kugelschreiber (ohne Tinte) auf Papier
d) O. T., 2022 – Kugelschreiber (ohne Tinte/ Rückseite), Radiernadel (Vorderseite) auf Papier
Das Ziehen einer Linie ist für Taiyoh Mori ein kontinuierliches In-Beziehung-Setzen zu Materialität und Qualität der Gegebenheiten. In diesem Zusammenspiel der jeweiligen Bedingungen manifestiert sich eine Spur, die als Prägung des Raumes in der Zeit wiederum jene dynamische Relationalität erst erfahr-und schließlich für das Auge wahrnehmbar macht.
Die hier präsentierten Arbeiten verdeutlichen Moris auf das Wesentliche reduzierte Herangehensweise. Es geht ihm um den Prozess des Zeichnens an sich. Mori lässt sich dabei leiten von der Architektur seiner Umgebung, dem ortsspezifischen Licht und der Relation zum Raum. Betrachten wird bei ihm zu einem permanenten Prozess der Spurensuche.
Taiyoh Mori wurde 1982 in Osaka, Japan, geboren. Er lebt und arbeitet in Berlin. Nach seinem Studium an der Seian University of Art and Design, Japan, studierte er u. a. Malerei und Grafik an der Burg Giebichenstein Halle. Seine Werke wurden beispielsweise im Museum für Asiatische Kunst der staatlichen Museen zu Berlin im Humboldt Forum, Berlin; Drawing Wow/Minuseins, Wien; Galerie Rupert Pfab, Düsseldorf gezeigt und befinden sich in der öffentlichen Sammlung der Staatlichen Graphischen Sammlung München. Taiyoh Mori ist diesjähriger Gold Gewinner des Paper Art Award
Ohne Titel, 2021 – Inkjet Print, Leim, Holz, Spachtelmasse, Wachs
Reduktion auf das Wesentliche, Variation und Wiederholung, Formen, die der Herstellungsprozess vorschreibt – das sind nur einige Aspekte von Goekhan Erdogans Werken. Häufig arbeitet er in Serien und häufig liegt ein Passbild als Ausgangspunkt der Arbeit zugrunde. Die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstbildnis ist von vielen philosophischen, kunst- und sozialgeschichtlichen Aspekten geprägt; das Ergebnis dieser Überlegungen dabei oft höchst minimalistisch. Erdogan hebt die fotografischen Aufnahmen aus ihrem formalen Rahmen heraus, zwingt das Papier in ungewohnte Gestaltungszustände oder transformiert die Motive bis zum völligen Auflösen, bis sie dem Werk nur noch als abstrakte Idee innewohnen.
Eine solche vom Produktionsprozess geleitete Auseinandersetzung mit dem Material findet sich ebenfalls in den hier präsentierten Werken. Was wie polierter Stein und Holzmaserung aussieht, sind in Wirklichkeit verschieden große Offsetdrucke seines Passfotomotivs, die mit Leim eingestrichen, gepresst und getrocknet wurden. Erdogan bearbeitet den Werkstoff Papier hier wie ein Bildhauer – er formt und trägt ab. Es bleiben sinnliche Objekte, pure natürliche Formen, bei denen es schwerfällt, sie nicht zu berühren.
Goekhan Erdogan wurde 1978 in Frankfurt am Main geboren. Er studierte an der HfbK Städelschule Frankfurt und der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Preisträger des Dieter-Haack-Award 2011. Regelmäßige Solo- und Gruppenausstellungen in Galerien und Kunstvereinen in Deutschland, insbesondere im Rhein-Main-Gebiet sowie an unterschiedlichen Standorten in Europa.
Flat Globe – White Night 4, 2025, Cut auf Yupo Papier, Acrylhaube, Holzplatte
Noriko Ambe schichtet in ihren Arbeiten zugeschnittene Einzelblätter zu Gesamtskulpturen. Die tausenden filigranen Papierbögen erinnern so an organische Formen, die eine vermeintliche Reise durch die Zeit sichtbarmachen.
Die Arbeit Flat Globe von Noriko Ambe wirft sich auf wie zahlreichen Schichten der Erde.
Durch das feine Sezieren und präzise Konstruieren des weißen Papiers kreiert sie komplexe Formen, die einen individuellen Rhythmus von Offenem und Geschlossenem erschaffen.
1967 in Saitama, Japan geboren, lebt und arbeitet die Künstlerin in New York City und Japan. Sie studierte an der Musashino Art University in Tokio und erhielt bereits zahlreiche Stipendien und Auszeichnungen. Ihre Werke befinden sich in renommierten Sammlungen, wie dem Whitney Museum of American Art und dem MOMA in New York. Vom Haus des Papiers erhielt sie 2024 den Bronze Paper Art Award und befindet sich mit einem Werk in der Sammlung.
Grobari – 2009, Gestapelte, randlose Inkjet Prints auf 100 g/m²-Papier (3500 Seiten)
Open Edition
1981 wurde Domanović im ehemaligen Jugoslawien in Novi Sad (jetzt Serbien) geboren. Heute arbeitet und lebt sie in Berlin. Ihr Studium hat sie jedoch in Wien an der University of Applied Arts Vienna abgeschlossen. Domanović hat zahlreiche Ausstellungen auf nationaler und internationaler Ebene gehabt. Darunter in der Kunsthalle Wien, Österreich; High Line Art, New York, USA; Bundeskunsthalle Bonn, Deutschland und Galleria d’Arte Moderna, Mailand. Ihre Werke sind in weltweiten Sammlungen wie Walker Art Center, Minneapolis; Haus der Geschichte, Bonn; Zabludowicz Collection, London zu finden.
A Stream of Thoughts to detach us from the current #39 – Steinpapier, Leim
Steinpapier ist ein wasserabweisendes Material, das unter UV-Einstrahlung (Sonne oder künstlich) langsam zu Staub zerfällt. Replikate erzeugen in Museen und Sammlungen einen Eindruck über die Größe und Beschaffenheit vergangener Objekte. Sie versuchen eine Beziehung zwischen den flüchtigen Gegenständen, und unseren Körpern herzustellen, und lösen in uns die Vorstellung aus, wie wir sie benutzen. Für diese Serie von Replikaten wurden Wasserspielzeuge und Strandutensilien in Originalgröße aus Steinpapier nachgebaut. Sie zeigen Gebrauchsspuren und geflickte Löcher, wirken halb aufgeblasen nach einer langen Strandsaison oder lehnen an der Wand als würden sie gleich mit zum See genommen werden. Durch die Materialeigenschaften des Steinpapiers werden diese Skulpturen einen Zerfallsprozess durchleben - durch künstliches oder natürliches UV-Licht werden sie sich langsam auflösen, in Ausstellungen entscheiden die Kurator*innen ob sie die Objekte schützen oder zerstören wollen.
Lucia Kempkes studierte Biologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin und anschließend Bildende Kunst an der Universität der Künste Berlin und der School of Visual Arts in New York. 2014 gründete sie das Kunstkollektiv Mindscape Universe (2014-2019), das Projekte zu Vorstellungen von Gleichzeitigkeit veranstaltete.
Partition 115, 2018 – Fotoobjekt, Unikat
Partition 149, 2020 – Fotoobjekt, Archivpigmentdruck
Supervision 1-15, 2025 – Zweilagiger Archivpigmentdruck auf Japan Papier und Hahnemühle Photo Rag
Wenn man der Fotografie alles Inhaltliche entzieht, was bleibt? Dieser Frage ging Christiane Feser nach und fand: Es bleiben Licht, Schatten und das Material Papier. Daraus erschuf sie ihr Spielfeld. Mit digitaler Bildbearbeitung angefangen, verwendet sie seit 2008 verstärkt „echtes“ Werkzeug. Sie fotografiert, dann faltet und schneidet sie die Aufnahmen, ritzt, sticht, fügt den Oberflächen Fäden und Fasern hinzu und arrangiert alles neu – nur, um es noch einmal durch die Linse der Kamera festzuhalten. Dem fotografischen Sehen der Kamera, einer Realität, die "mal da war", setzt Feser das menschliche Sehen mit dem Auge entgegen. Das Zwei- und Dreidimensionale wird miteinander verwoben, bis sich die Aufnahme in ein „Foto-Objekt“ verwandelt.
Am Anfang der fortlaufenden Serie Partitionen standen Faltungen von einzelnen Papieren. Aus tausenden von gefalteten Din A4-Blättern formte Feser über Monate immer neue Module, die sie dann durch die Kamera festhielt und zurück ins Dreidimensionale überführte. So vertiefte sie ihr analytisches Wissen über Material, Licht und Schatten, bis sie sich an die Entwicklung ihrer sehr eigenständigen Partitionen machte. Christiane Fesers großformatige Arbeit Partition 115 im Eingangsbereich lebt von der meisterlichen Beherrschung des Werkstoffs Papier, der sich wie ein Wasserfall aus Papierstreifen in den Raum ergießt.
Christiane Feser wurde 1977 in Würzburg geboren. Sie studierte an der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Ihre Arbeiten werden weltweit in Ausstellungen gezeigt, darunter im Frankfurter Kunstverein; dem Getty Museum, Los Angeles; dem Kunstmuseum Bochum; dem Palazzo Strozzi, Florenz sowie im Solomon R. Guggenheim Museum, New York. Ihre Werke sind in den Sammlungen des Guggenheim Museums, New York; im Minneapolis Institute of Art; im Mönchehaus Museum, Goslar; im ZKM Karlsruhe und der Sammlung Klein. Christiane Feser ist die erste Stipendiatin der Paper Residency! des Haus des Papiers.
Ohne Titel (Yeti), 2021 – Ölfarbe, Papierkarton
Ohne Titel (Koller), 2022 – Ölfarbe, Papierkarton
Felix Beckers kreiert Papierskulpturen aus Ölfarbe und Papierkartons. Insofern handelt es sich um Malerei auf Papier, die sich durch das Trägermaterial nicht nur führen lässt, sondern sich vielmehr nach diesem richtet.
Die hier präsentierten Skulpturen bestehen aus Karton, der vor der Bemalung in einen Wassertrog getränkt, verformt und anschließend getrocknet wird. In diesen Prozess ist die Eigenwilligkeit des nassen Papiers eingeschrieben, wodurch es nur rudimentäre Modellierungen während der Trocknung beibehält und sich ansonsten der Schwerkraft hingibt. Diese Widerspenstigkeit nutzt Becker um Formen zu erhalten, die das Suchen nach einer bestimmten Figur erst noch einfordern. Mit den Mitteln der Malerei reagiert der Künstler auf diese Aufgabe, hebt die individuellen Ausformungen, in die sich das Papier gebracht hat, hervor oder erweitert sie. Immer mit der Absicht einen Teil der Suche offen zu lassen. (Text: Felix Becker)
Felix Becker wurde 1987 in Frankfurt a.M. geboren. Er arbeitet und wohnt derzeit in Berlin, seine Werke sind aber auf der ganzen Welt zu sehen. Becker hat u.a: im Apartamento, Marseille, Medientheater Humboldt-University, Berlin und im Maus Contemporary, Birmningham USA ausgestellt. Sein Studium an der Akademie der Künste Berlin hat er 2021 abgeschlossen.
Patchwork 43, 2023 – Karton, Papier auf Karton
Patchwork 44, 2023 – Karton, Papier auf Karton
Layering 18, 2023 – Papier auf Karton
Seit seiner Kindheit wurde der Künstler und Designer durch das Thema „Textilien“ geprägt, das durch sein Elternhaus in seinem Alltag sehr präsent war. Schon als Jugendlicher verschlang er Modemagazine und beschäftigte sich mit Stoffen, Garnen und Farben. Während dieser Zeit entwickelte er seine Papier-Collagen, in denen er gezielt Bildinhalte aus Magazinen und Tageszeitungen zu neuen Motiven zusammenfügte. Geschichtet und verschlungen bilden sich in Boras Arbeiten Strukturen aus Papier, die auf den zweiten Blick erstaunlich vertraut wirken.
Das konzeptuell verbindende Element seiner Arbeiten ist die strenge Auswahl seiner verwendeten Vorlagen: Ausschließlich Papiermaterial, das durch Einkäufe oder durch den Postversand in seinen Haushalt gelangt ist, wird dekonstruiert und neugestaltet.
Cem Bora wurde 1965 in Istanbul geboren und lebt und arbeitet in Berlin. Nach seiner Ausbildung am „Fashion Institute“ des Lette Vereins Berlin arbeitete er für Stilbüros in Paris und Amsterdam. Zwischenzeitlich gründete er ein eigenes Modelabel. Seit 2005 stellt Bora seine Arbeiten aus Papier aus, unter anderem in Ausstellungen in Berlin, Basel, Paris und Luxemburg. Er ist vertreten in der Sammlung Modebild-Lipperheidesche Kostümbibliothek, in den Staatlichen Museen zu Berlin.
Inherited Desire, 2018 – Lithographie auf BFK Rives
Seit Mitte der 2000er Jahre hat Jorinde Voigt ein eigenes grafisches System zur Übersetzung von Erfahrungen, Gedanken und Sinneseindrücken auf Basis von philosophischen Schriften und Kommunikationsmustern in der Musik entwickelt. Voigt übersetzt die Untersuchungsgegenstände in eine eigene Grammatik, die als präzise gezeichnete Linien- und Schriftsysteme, mal als gestrichelte Farbflecken, farbige Collagen oder Blattgoldeinlagen erscheinen.
Jorinde Voigts Werke sind in diversen Sammlungen vertreten, darunter Art Institute of Chicago; Centre Pompidou, Paris; Kunsthaus, Zürich; The Morgan Library & Museum, New York; Museum of Modern Art, New York; Pinakothek der Moderne, München; Staatliche Graphische Sammlung, München; Kupferstichkabinett, Berlin und andere. Ihre Werke werden international ausgestellt und durch vielschichtige Publikationen begleitet.
a) O. T. – Collage analog auf Papier
b) O. T. – Collage analog auf Papier
Ismene richtet in ihren Collagen ihre eigene Ordnung ein – auch indem sie bewusst analog arbeitet. Das Berühren, Erleben, Zerreißen und Herumspielen mit den Papieren ist für die gelernten Handweberin ein wesentlicher Bestandteil des kreativen Prozesses. Ihr Spiel mit Materialität und Form ist äußerst frei. Die Schichtungen wirken skizzenhaft; die Elemente so zart und leicht zusammengefügt, als könnten sie bei der kleinsten Berührung wieder auseinanderfallen. Diese Leichtigkeit ist sehr eigen. Sie zeugt ihrem tiefen Verständnis des Mediums, bereichert durch ihr Wissen aus der Handwebekunst.
Ein zentrales Thema ist das Spiel mit der Abbildung von Körpern, dem Wecken von Erwartungen durch angerissene Formen und Motive. Durch geschickt eingebaute Auslassungen und Momente der Irritation gelingt es ihr jedoch diese Erwartungen zu brechen und unerfüllt zu lassen; ein subtiles Verneinen des voyeuristischen Blicks.
Ismene wurde 1973 in Bochum geboren. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte Philosophie und absolvierte eine Lehre zur Handweberin. Aus beiden Disziplinen schöpft sie heute Themen und Ausdrucksformen für ihre seit 2017 begonnene Tätigkeit als freischaffende Künstlerin.
Set, 2021 – Archivpigmentdruck auf FineArt Paper mit Assemblage-Elementen
Gegenwärtig bearbeitet Fee Kleiß die Überreste der jüngsten Geschichte: Experimentell, dekonstruktiv, fast archäologisch arbeitet sie an der Freilegung eines unübersichtlichen Netzes an Verbindungen zwischen gewachsenen und kulturell produzierten Gegenständen: sie zerlegt, transformiert und stellt neue Zusammenhänge her, bis die Dinge ihre Bedeutung verlieren und zu etwas Neuem verschmelzen.
In den hier gezeigten Arbeiten vereint sie Gefundenes mit Gesetztem. Verbindet Zufall mit geplantem Konzept. Flaches wird räumlich und erobert den Raum.
Fee Kleiß wurde 1984 in Kuchen geboren. Sie studierte zunächst in Mainz neben Bildender Kunst auch Philosophie und wurde anschließend Meisterschülerin an der Universität der Künste Berlin bei Valérie Favre. Sie erhielt Preise und Stipendien, darunter den Regina Pistor-Preis, DAAD Reise-Stipendium für Indonesien, Dorothea-Konwiarz-Stipendium und das Paper Residency! Stipendium. Ihre Werke waren in Einzel- und Gruppenausstellungen im Künstlerhaus Dortmund, Kunstverein Siegen, Atelierhof Kreuzberg, Salon Mutlu, bei Galerie Schwarz Contemporary sowie in Galerien und Kulturorten in Kopenhagen, Paris und New
York zu sehen.
Ja Ja Ja, Nee Nee Nee, 1970 – Multiple/Schallplatte, 281/500
die erde spricht, 2021 – Plakat
Entwurf: Detlef Fiedler, Cyan, Berlin, Foto: Caroline Tisdall, Hrsg. Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
In der Tonaufnahme wiederholt Joseph Beuys rhythmisch die Worte „Ja ja ja, Nee Nee Nee “. Es wirkt wie ein mantraartiger Sprechgesang – zwischen Zustimmung und Ablehnung, zwischen Aufbruch und Rückzug. Der Titel ist zugleich das ganze Werk: Sprache wird hier zum Klangkörper, zur künstlerischen Geste.
Die ambivalente Intonation erinnert an Wehklagen oder rituelle Ausdrucksformen auf einer Trauerfeier. Tatsächlich bekam Beuys die Idee zu der Klangarbeit, als er während einer Beerdigung Klagegesänge der Trauenden hörte. Damit entfaltet das Werk eine existenzielle Spannung zwischen Leben und Tod, Bestätigung und Verneinung und lässt in seiner Schlichtheit Raum für persönliche Deutungen.
„Ja Ja Ja, Nee Nee Nee“ ist ein frühes Multiple, also ein seriell hergestelltes Kunstwerk, das Beuys in einer Auflage von 500 Exemplaren herausgegeben hat. Damit das Sammeln seiner Werke nicht allein einer wohlhabenden Elite vorbehalten ist, hat er seine insgesamt 557 Multiples zu Lebzeiten für einen geringen Preis zum Verkauf angeboten.
Das Plakat zeigt ein berühmtes Porträt von Joseph Beuys, das die britische Kuratorin Caroline Tisdale 1976 aufgenommen hat. Die Aufschrift „die erde spricht“ ist eine Referenz auf die spirituelle Verbindung des Künstlers zur Natur, die sein Werk bis zu seinem Tod intensiv geprägt hat. Hier offenbart sich seine Vorstellung, dass die Natur ein lebendiger Organismus ist, der mit dem Menschen in Kommunikation treten kann. Die Erde „spricht“ durch ökologische Katastrophen, den Klimawandel und Ressourcenknappheit – wir sollten zuhören und Verantwortung übernehmen.
Das Plakat wurde zu Beuys‘ 100. Geburtstag vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen herausgegeben. Im Rahmen der umfangreichen PR-Kampagne mit dem Titel „beuys2021“ sind mehr als 20 weitere großformatige, neonfarbige Plakate entstanden, die ikonische Porträts mit begriffsstarken Leitsprüchen des Künstlers kombinieren.
(Text: Dr. Sarah Frost)
RHIZOME, 2022-2023 – Papier, Tusche, Buntstifte, Nadel
Verena Freyschmidt arbeitet in ihren Werken mit dem Zufall als Motor ihrer Inspiration. Von hier aus setzt sie gezielte Akzente, die in minimaler Veränderung wiederholt gesetzt werden.
In der Werkserie RHIZOME kombiniert die Künstlerin Papierschnitte zu einer sich immer wieder wandelnden Wandinstallation. Die abstrakt entstehenden Gebilde erinnern in ihren Formen an Elemente aus der Natur und laden die Betrachenden ein sich im Fluss der Arbeit gleiten zu lassen.
1975 Frankfurt a.M. geboren hat Freyschmidt Geschichte und Kunstpädagogik in Gießen und später Malerei in Mainz und Düsseldorf studiert. Sie hatte von 2015 - 2019 einen Lehrauftrag an der Alanus Hochschule in Bonn. Ihre Werke sind in Ausstellungen weltweit zu sehen u.A.: Petaling Street Art Space, Malaysia; Galerie Maurer, Frankfurt/Main und Galerie der Universität Belgrad, Belgrad, Serbien. Neben vielen schon erhaltenen Auszeichnungen und Stipendien gewann sie 2025 den Paper Art Award (Bronze) vom Haus des Papiers.
Rider on the Storm / Nargis, 2020 – Print, Prägedruck, Wachs
Jana Schumachers künstlerisches Hauptinteresse gilt der abstrakten Zeichnung sowie raumbezogenen Installationen. Über diese beiden Ausdrucksformen – fein und filigran auf der einen Seite, groß und raumeinnehmend auf der anderen – verarbeitet sie in ihren Werken Themen des Unvorhersehbaren, Formenfindungen zwischen Ordnung und Chaos, Aktion und Reaktion, die Verbindung von Kunst und Wissenschaft, bis hin zu Naturphänomenen wie Stürmen und Zyklonen.
Während der Paper Residency entstanden Übergriffe aufs Material. Jana Schumacher verwendete für ihre Bearbeitungen Werkzeuge, Maschinen, Hitze, Flüssigkeiten, Wachse. Jana Schumacher breitete sich aus, arbeitete indoor und outdoor. Sie prägte das Papier auf Steinen und ritzte ihre großformatigen Drucke, sie bearbeitete die Oberflächen mit Schleifmaschine und Heißluft, sie trieb Flüssiges und Festes mit einer solchen Kraft in die Oberfläche, dass diese Komponenten auf der Rückseite wieder heraustraten. Mit einem Wachs-Finish erreichte sie zugleich Versiegelung wie auch partielle Transluzenz. Die organische und unkontrollierbare Materialität des Wachses bildet einen physischen Kontrast zum bearbeiteten Digitaldruck. Inhaltlich bilden ihre in der Residenz entstandenen Werke den philosophischen Versuch des Menschen ab, Ordnung und Kontrolle in die Urgewalten der Natur zu bringen.
Jana Schumacher wurde 1983 in Bonn geboren. Sie studierte Design mit Schwerpunkt Zeichnung und Graphik an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Seit 2011 sind ihre Werke in regelmäßigen Ausstellungen überwiegend in Deutschland und den USA zu sehen. Seit 2015 folgt sie zusammen mit ihrem Partner Drew Matott Lehr- und Workshop Aufträgen an US-amerikanischen Universitäten und anderen Institutionen. Sie ist Stipendiatin der Paper Residency !
a) Baumäste, gelb, 2023 – Gestickt auf Fotocollage
b) Landschaft Krug (3), 2022 – Fotografien genäht, Faden
In der Geschichte der Fotografie galt das Foto lange als Abbild des Dargestellten. Es übermittelte einen scheinbar objektiven Blick auf die Welt. Und doch sind Fotografien immer nur ein Ausschnitt, zeigen eine individuelle oder gar arrangierte Perspektive auf das Dargestellte. Die Künstlerin Gisoo Kim fügt ihrem individuellen fotografischen Blick mit Nadel und Faden eine weitere Dimension hinzu. Beim Erstellen ihrer Fotocollagen arbeitet sie manuell und setzt jeden einzelnen Nadelstich gezielt per Hand.
In den hier präsentierten Werken nutzt Gisoo Kim den Faden als zeichnerische Geste. Linien trennen oder verbinden die Elemente ihrer ana- logen Fotografien. Die Stiche sind als Verletzungen oder aber Reparaturen lesbar.
In ihrem Fotocollagen-Objekt Landschaft Krug dienen die Fäden dazu, einzelne Fotos zu einem gefäßartigen Gebilde zu formen. Metaphorisch dient dieses Gefäß dem Empfangen, der Aufnahme und setzt sich zugleich buchstäblich aus einzelnen fotografischen Aufnahmen zusam- men. Von Weitem erweckt es den Eindruck eines limitierten Behältnisses, nähert man sich, schaut man in seinem Inneren jedoch auf üppige, grüne Landschaften. Unterschiedliche Orte und Situationen werden miteinander verbunden und ermöglichen einen Blick in eine neue, eigene Welt.
Gisoo Kim wurde 1971 in Seoul, Südkorea, geboren und lebt und arbeitet heute in Essen. Nach ihrem Studium der Bildhauerei an der städtischen Universität in Seoul führten sie Reisestipendien nach Deutschland, Ungarn und Polen. Danach studierte sie freie Kunst an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg sowie an der Kunstakademie Düsseldorf. Ihre Arbeiten sind in zahlreiche Einzelausstellungen in Deutschland, Portugal und Frankreich sowie internationale Gruppenausstellungen u.a. in den USA und China präsentiert. 2023 erhielt sie auf der Paper Position Berlin den Paper Art Award in Silber.
O. T., 2024 – Sumi-e Papier
Karolin Schwab verbindet in ihren Arbeiten das Innere mit dem Äußeren. Das Sichtbare mit dem Unsichtbaren. Stillstand und Bewegung. Prozess und Resulat. Natur und vom Mensch Geschaffenem.
Auf der Basis einer bereits existierenden Arbeit „Floating Home“ wendet sich Schwab in der hier gezeigten Installation dem Thema des „Zuhauses“ und dessen Zerbrechlichkeit und Wandelbarkeit zu. Hierin bearbeitet sie zarter Annäherung ein besonders schweres und dringendes Thema unserer Zeit.
Geboren 1987 in Stralsund, lebt und arbeitet Schwab in Berlin. Nach ihrem Bachelor der Bildenden Künste an der Universität East London schloss Schwab ihr Studium mit einem Master für Bildende Kunst bei Ai Wei Wei an der Universität der Künste Berlin ab. Neben zahlreichen internationalen und nationalen Ausstellungen erhielt sie umfangreiche Stipendien und Preise, wie auch einen Platz im Residenzprogramm Paper Residency! 2024 des Haus des Papiers in Berlin.
Gelege, 2010 – Zwiebelpapier
Handick setzt den Ausgangspunkt ihrer Arbeit in die Faszination für die Natur und die Sorge um ihre Erhaltung und Wiederherstellung. Darin untersucht sie vor allem Überlebensstrategien und Anpassungen, Abhängigkeiten und Symbiosen, die sie wieder in die Gesellschaft zurückführen möchte. In ihrer Kunst verwendet sie vorwiegend natürliche Materialien, die sie auf ihre Verwendungsmöglichkeiten und Grenzen untersucht und so umweltfreundliche künstlerische Positionen erarbeitet.
In der hier ausgestellten Arbeit verwendet Anna Handick Zwiebelschalen als alternativen Rohstoff, um daraus ihre hauchzarten Papierkugeln herzustellen.
Anna Handick wurde 1985 in Nürnberg geboren. Derzeit lebt und arbeitet sie in Nicaragua. Sie studierte Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Claus Bury. Ihre Werke wurden in zahlreichen Einzelausstellungen in Deutschland, Schweiz und Nicaragua gezeigt. Sie erhielt diverse Förderungen u.a. die Debütantenförderung des Bayrisches Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und den Young Art Award des Artforum Ute Barth. Ihre Arbeiten sind Teil der Sammlung des Museums der Fundación Ortíz Gurdián in Leon/Nicaragua und der Kulturstiftung der Sparkasse Nürnberg. 2020 gründete sie das Projekt Abacaxi Artspace.
Ohne Titel, 2025 – Roter Farbstift auf Hahnemühle Rice Paper geschnitten, auf Karton montiert
Edition von 40 (käuflich bei uns erwerbbar)
Hinsberg ist eine der prominentesten deutschen Künstlerinnen, die den Begriff der soge-nannten „Raumzeichnung“ und das Medium des Scherenschnitts geprägt haben. Seit den 1990er Jahren konzentriert sich ihr Werk auf die Zeichnung und verschiedene Prozesse ihrer Dekonstruktion. Sie zeichnet und transformiert die handgezeichneten Linien durch Schnitte und Bohrungen in den Papieroberflächen. Ihre Arbeiten reichen von feinen Pa-pierschnittrastern über raumgreifende, schwebende Papierstreifen bis hin zu mit farbigem Papier verkleideten Innenräumen. Allesamt eindrucksvolle Beispiele dafür, dass das Me-dium der Zeichnung längst über die enge Definition von Linien auf Papier hinausgewach-sen ist.
Die hier gezeigte Arbeit zeigt in ihrer zarten Form diese Transformation zwischen Zeich-nung, Relief bis hin zum dreidimensionalen Objekt. Der „übliche“ Träger, das Papier, wird hier zum Zeichen, wird Linie und doch auch zum hervorgehobenen Körper, der scheinbar schwebend seinen Schatten zart auf den Hintergrund wirft. Das Material tritt in den Vor-dergrund.
Geboren 1967 in Karlsruhe, studierte Hinsberg in München, Dresden und Bordeaux. Ne-ben einer Professur für Zeichnung an der HBK Bremen ist sie seit 2011 Professor für kon-zeptuelle Malerei an der HBKsaar Saarbrücken. Sie erhielt zahlreiche Stipendien, Aus-zeichnungen und Publikationen. Ihre Arbeiten werden in internationalen Ausstellungen gezeigt und befinden sich in diversen Sammlungen, u.a.: Chinati Foundation, Marfa, TX; Graphische Sammlung, Pinakothek der Moderne, München; Hamburger Kunsthalle; Kup-ferstichkabinett, Berlin; Kunstmuseum Stuttgart; Folkwang Museum, Essen; Museum of New Zealand, Wellington; Staatliche Kunsthalle Karlsruhe.
sixteen days of recording water (seven layers), 2022 – 7 verschiedene Hahnemühle Papiere, verdunstetes Pfützenwasser, Umgebungsmaterial
The moment of total concentration
and intuitive devotion.
A symbiotic intimacy.
Adrenaline, heat, dirt, water, violence.
Reconciliation.
Testimony.
Jessica Maria Toliver kommuniziert mit dem Papier wie mit einem atmenden Organismus. In ihrem Dialog mit dem Werkstoff bindet sie vorgefundene oder manipulierte Strukturen ein, die sie in Papierschnitte, Zeichnungen, raumorientierte Installationen und Skulpturen wandelt. Zuletzt arbeitete Toliver an vielschichtigen Werkzyklen, in denen sie die Gegensätzlichkeit von grober, archaischer Gestalt und filigraner Zerbrechlichkeit auslotet. Die auf diese Weise entstandenen Arbeiten untersuchen das Papier auf teilweise stark abstrahierter und konzeptioneller Gestaltungsebene.
Jessica Maria Toliver wurde 1976 in Coburg geboren. Sie lebt und arbeitet in Schwerte, Nordrhein-Westfalen. Nach Ausstattungsassistenzen in Dortmund und Berlin entschied sie sich 2008 für die freie bildende Kunst und befasst sich seitdem mit Papier. Ihre Werke befinden sich in musealen Sammlungen wie dem Gustav-Lübcke- Museum, Hamm und dem Haus des Papiers, Berlin sowie u.a. in der Bürgerstiftung Rohrmeisterei, Schwerte, sowie in zahlreichen privaten Sammlungen. Sie war Stipendiatin der Paper Residency! 2022.
a) Ein Blatt, ein Tag (20.03.-19.04.),2024 – Buntstift auf Papier, geschnitten
b) ICE 563, Saarbrücken – München, 2024 – Buntstift auf Papier, Papier in dünne Streifen geschnitten
c) Hinter dem Quadrat, 2025 – Acryl zwischen Papier, angeritzt und abgezogen
Die Papierarbeiten von Suyoung Kim bewegen sich zwischen Zeichnung, Collage und skulpturalem Objekt. Mit präzisen Schnitten, Schichtungen und sensiblen Farbsetzungen erkundet Kim die Materialität des Papiers als eigenständigen Träger von Raum, Bewegung und Erinnerung. Ihre Werke wirken zugleich leicht und konzentriert – als würde das Papier selbst beginnen, eine stille Sprache zu sprechen. Durch das Spannungsfeld zwischen Fläche und Struktur, Reduktion und Dichte schafft Kim Bildräume, die auf leise Weise intensiv präsent sind.
Suyoung Kim ist 1971 in Südkorea geboren und derzeit dort aktiv. Sie hat jahrelang in Deutschland gelebt und 2004 ihren MFA an der Kunstakademie Düsseldorf erhalten. Ihre Werke werden weltweit gezeigt u.A. im Seoul Museum of Art, Korea; Space CAN Beijing, China und im National Museum of Modern and Contemporary Art, Gwacheon, Korea ausgestellt und befinden sich in den Sammlungen des SeMA, des Asia Art Archive, Hongkong, und der Artist Pension Trust Collection, New York.
Kitsune Lady, 2021 – Objekt aus Papiermaché
Leiko Ikemura zählt zu den bedeutendsten Kunstschaffenden der Gegenwart. Ihre Gemälde und Objekte kreisen um Themen der Verwandlung und Verschmelzung von Mensch und Natur. Die hybridartigen Kreaturen und Fabelwesen sind stets schemenhaft dargestellt, im Zustand des Werdens eingefroren. Das herausragende Merkmal dabei ist Ikemuras Fähigkeit zwei sehr unterschiedliche Pole – die europäische und die panasiatische Kultur – zu verschmelzen. Ihre stillen Landschaften und die zumeist weiblichen Hybrid-Wesen sind oft Ausdruck von Unbestimmtheit und von den Tiefen menschliche Natur.
Ikemuras Skulpturen entstehen meist aus Bronze und Terrakotta oder Glas. Für das HdP schuf sie nun ihre allererste dreidimensionale Papierarbeit überhaupt. Dafür fügte sie einer ihrer bekanntesten Serien ruhender Köpfe zwei neue Exemplare in dem hochweißen Werkstoff Papiermaché hinzu. Die ungeglättete weiße Oberfläche mit den delikat modellierten Gesichtszügen verweist leise auf die Inspiration hinter dem Werk – das mythologische Wesen Kitsune, einen Eisfuchs, der die Gestalt einer schönen, jungen Frau annimmt. Die Präsenz ihrer traumwandlerischen Werke ist stets atemberaubend. Hier ist nun eine neue Komponente, das physisch Leichte, hinzugekommen.
Im Objekt Kitsune Lady zeigt sich dies besonders schön – eine fragile Form, ein Hauch von Papier.
Die Zeit scheint erstarrt. Alles kommt zur Ruhe. Atem erfüllt uns, wie Leben.
Leiko Ikemura wurde 1951 in Tsu/Japan geboren. Mit 21 Jahren zog sie nach Europa für ein Literatur- und später Malerei-Studium in Sevilla. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. August-Macke-Preis, 2009; Deutschen Kritikerpreis für Bildende Kunst, 2001. 1990–2015 lehrte sie an der UdK Berlin. Weltweite Ausstellungen, darunter: Kunsthalle Karls- ruhe; Kunstmuseum Basel; MCBA Musée Cantonal des Beaux-Arts, Lausanne; Museum für Ostasiatische Kunst, Köln; National Museum of Modern Art, Tokyo; Nevada Museum of Art, Reno; Weserburg – Museum für Moderne Kunst, Bremen u.a. Ihre Werke befinden sich in Sammlungen von Centre Georges-Pompidou, Paris; Kunstmuseen Basel, Bern und Zürich; Kunsthalle Nürnberg; Museum Kunstpalast Düsseldorf, u.a.
Aurora #10, 2025 – Archival Pigment Print auf Japanpapier, zweilagig, gerahmt mit Museumsglas
Aurora #22, 2025 – Archival Pigment Print auf Weißgold
Astrid Busch verändert Räume in ihrer Gesamtheit, jedoch führt sie das auf eine sanfte und zurückgenommene Art vor. In ihren ortsspezifische Rauminstallationen vereint sie Fotografien mit vielerlei Materialien – von eigenen Aufnahmen bis hin zu Archivfunden. Alle diese Teile fügt sie als multimediale Inszenierungen zusammen und schafft so raumgreifende Arbeiten, die mosaikhaft wirken und dennoch immer ortsspezifisch bleiben.
Astrid Busch wurde 1968 in Krefeld geboren. Sie studierte an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg und Kunsthochschule Berlin-Weißensee, wo sie Meisterschülerin bei Prof. Katharina Grosse war. Ihre Werke befinden sich in Sammlungen wie Hetjens – German Ceramic Museum, Düsseldorf; Kunststiftung NRW, Düsseldorf; Neuer Berliner Kunstverein und Technikmuseum, Berlin; Museum für Angewandte Kunst, Gera u.a.
Cluster, 2021 – Installation aus 20 Schallplatten - Hüllen, in Zellophan verpackt
Rosemarie Trockel ist eine der bedeutendsten und prägendsten deutschen Konzept-Künstler:innen der Gegenwart. Seit mehr als drei Jahrzehnten zählt sie zur höchsten Weltrangspitze der Kunstszene. Ihr weit gespanntes Werk entzieht sich bewusst einer eindeutigen Zuordnung und umfasst Collagen, Video-Installationen, Zeichnungen, Keramiken und Strick-Bilder. Diese machten Trockel ab Mitte der 1980er-Jahre weltberühmt: Die maschinell hergestellten „Woll-Bilder“ und „Strick-Helme“ mit oft kulturell und politisch aufgeladenen Motiven und Mustern spielten ironisch auf das Klischee der typischen „Frauenarbeit“ an und trafen den Nerv der Zeit. Immer wieder kommentiert Trockel die Frauenrolle in Gesellschaft und im Kunstbetrieb sowie deren Umkehrung und übt manchmal auf subtile, manchmal auf humorvoll-provokative Weise Sozialkritik.
Auf die Frage nach dem Werkstoff Papier antwortet Trockel mit Verpackungskunst. Hier begegnen wir dem Material also in einer bereits industriell recycelten Form. „Bleibt das Zellophan verschlossen, ist es Kunst. Reißt Du es auf, wird es ein Alltagsgegenstand.“ Dem Museum stellt Trockel ein Cluster aus streng komponierten und konzeptuell angeordneten LP-Hüllen zur Verfügung. Die Motive auf den einzelnen Verpackungs-Objekten korrespondieren miteinander und aus dem Dialog entsteht ein Hintergrundrauschen aus Assoziationsketten. Es gibt kein Entkommen; die Betrachtenden sind gezwungen, sich mit verschlüsselten Bild-Botschaften auseinanderzusetzen und sich zu positionieren. Bin ich dafür? Bin ich dagegen? In unserer modernen, von Icons und Emoticons verstümmelten Alltagssprache, die auf einfache Bilder reduziert wird, rühren Trockels komplexe Bildfragmente an kollektiv Unterbewusstes. Ihre Botschaften sind nicht einfach. Sie stören.
Rosemarie Trockel wurde 1952 in Schwerte geboren. Sie studierte an den Kölner Werkschulen, schlug Anfang der 1980er Jahre jedoch einen ganz eigenen Weg ein. Nach Einzelausstellungen in Köln und Bonn fand ihr Werk vor allem in den USA große Beachtung mit Ausstellungen im MoMA, New York; Museum of Contemporary Art, Chicago; Institute of Contemporary Art, Boston u.a. Zahlreiche bedeutende Auszeichnungen sowie Ausstellungsprojekte sind zu verzeichnen, u.a. war sie als erste Frau im Deutschen Pavillon an der Venedig-Biennale 1999 ausgestellt. Skulptur. Projekte Münster, 2007, Documenta X und XIII, Kassel, außerdem museale Retrospektiven u.a. im MMK Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main und Museum Ludwig, Köln. Viele Werke sind Teil bedeutender Sammlungen weltweit. 1998-2016 war sie Professorin der Kunstakademie in Düsseldorf. 2012 war sie Mitbegründerin der Kölner Kulturinstitution Akademie der Künste der Welt. Sie war Stipendiatin des Paper Residency! Programms.
1. JOSEPH BEUYS
Plakat Hamburger Kunsthalle (Erdtelephon), 1992 - Offset auf Papier, Courtesy CESA Collection, Berlin
Plakat Kunstmuseum Bonn (Urobjekt. Erdtelephon), 1997 - Offset auf Papier, Courtesy CESA Collection, Berlin
Plakat Hessisches Landesmuseum Darmstadt (Erdtelephon)- Offset auf Papier, Courtesy CESA Collection, Berlin
Für Joseph Beuys war die Bewahrung der Natur zeitlebens ein besonderes Anliegen. „Kunst ist die einzige Form, in der Umweltprobleme gelöst werden können“, verlautete er 1978 in einem Interview mit dem ZEIT-Magazin. Diese Überzeugung zeigte sich nicht erst in agrarökologischen Langzeitprojekten wie „7000 Eichen“ (1982-87), als er zur documenta 7 7000 Laubhölzer in Kassel pflanzte und den dortigen Baumbestand mehr als verdoppelte. Bereits die frühe Arbeit „Urobjekt – Erdtelephon“ aus dem Jahr 1967 mahnt die verlorene Verbindung von Mensch und Natur an: Kein Anschluss unter dieser Nummer? Wer Sender, wer Empfänger ist, bleibt in dieser vieldeutig lesbaren Plastik unklar. Das Paper Future Labs by Haus des Papiers zeigt Plakate der Hamburger Kunsthalle und des Kunstmuseums Bonn, die mit dem „Erdtelephon“ für ihre Sammlungen werben.
Der Aktionskünstler und Bildhauer Joseph Beuys wurde 1921 in Krefeld geboren. Von 1946 bis 1952 studierte er Malerei und Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf und war später Meisterschüler von Ewald Mataré. Von 1961 bis 1972 bekleidete er eine Professur an der Kunstakademie Düsseldorf, aus der er wegen seines Einsatzes für die Aufnahme aller Studierenden ohne Numerus clausus sowie aufgrund der wiederholten Besetzung des Sekretariats entlassen wurde. Dahinter stand sein Verständnis eines „erweiterten Kunstbegriffs“. Beuys setzte sich mit Fragestellungen des Humanismus, der Sozialphilosophie und Anthroposophie auseinander. Er starb 1986 in Düsseldorf. 1979 zeigte das New Yorker Guggenheim-Museum eine Retrospektive seines Werks.“ (Text: Sarah Frost)
2. EVA BULLERMANN
Petrischale 1 - Carboxymethylcellulose, Glycerin
Petrischale 2 - Schaum aus Carboxymethylcellulose und Mikrokristalliner Cellulose
Petrischale 3 - Carboxymethylcellulose, Glycerin – getrocknet auf verschiedenen Unterlagen
Phiole 1 - Eierschalenhaut
Phiole 2 - Luffa Schwammkürbis
Phiole 3 - Haut zwischen Lauchzwiebellagen
Phiole 4 - Lauchzwiebellage
Luftkissen aus Carboxymethylcellulose, Glycerin verklebt mit Weizenkleister
Gerahmt:
Carboxymethylcellulose, Glycerin – mit Programm Grasshopper generiertes Muster zur Entstehung von Form durch Wasser und Luft in Pflanzen
Carboxymethylcellulose, Glycerin, Luftgefüllte Kammer verklebt mit Weizenkleister – Probe aus hoch konzentrierten Gelen
Carboxymethylcellulose, Glycerin, Zwiebelzellenmuster
3D Druck aus PLA (Polylactide) - Probe
In ihrer Masterarbeit zum Thema „Gestalten mit Cellulose, Luft und Wasser“ untersucht Bullermann die Verwendungsmöglichkeiten der stabilen, biologisch abbaubaren Strukturen von Cellulosefasern. Eva Bullermann versucht am Vorbild der Natur materialsparende komplexe Strukturen zu erschaffen, die Luft und Wasser als Material in den Gestaltungsprozess mit einbeziehen. Die ausgestellten Proben zeigen Modelle aus dem Cellulosederivat Carboxymethylcellulose, welches in der Lebensmittelindustrie als Verdickungsmittel verwendet wird. Durch die Ableitung aus dem Ausgangsstoff Cellulose kann diese mit Wasser zu einem viskosen Gel angerührt werden, welches dann in Form gegossen, geschäumt und getrocknet werden kann.
Eva Bullermann (*1993 im Bayerischen Wald) ist Textil- und Flächendesignerin und beschäftigt sich in ihren Arbeiten auf künstlerischem Weg mit der Entstehung von Form in biologischem Material, sowie der Gestaltung von Material. Zuletzt war sie bei Matters of Activity im Projekt CollActive Materials als Projektassistenz und Gestalterin tätig. Im Projekt wurde spekulatives Design als Methode zur Wissenschaftskommunikation in Form von Workshops getestet.
3. ESTHER STÖGERER + JANNIS KEMPKENS
BLACK LIQUOR, 2020 - Prototype Schuh
Black Liquor Gesamtkatalog mit allen Materialien
Petrischale 1 – Rohmaterial Fichtenspäne
Petrischale 2 – Recycelte Baumwollfaser
Petrischale 3 – Recycelte Cellulose
Petrischale 4 – Kaffeesatz
Esther Kaya Stögerer und Jannis Kempkens, ehemalige Absolvent:innen der Weißensee Kunsthochschule Berlin, arbeiten als Designer:innen in der Materialforschung. Esther's Fokus liegt auf der Nachhaltigkeit in der Modeindustrie und ihrer Lieferketten. Jannis beschäftigt sich mit Materialtransformation im Kontext von Abfall und Überproduktion. Im Rahmen des Forschungsprojekts Black Liquor arbeiten sie innerhalb eines interdisziplinären Netzwerks von Partner:innen an der Entwicklung von Materialien und Produkten auf der Basis von Lignin, einem Nebenstrom aus Bioraffinerien und Restprodukt der globalen Papier- und Zellstoffindustrie.
Black Liquor nutzt Lignin zur Herstellung von Materialien für die Möbel- und Modeindustrie und treibt den Paradigmenwechsel weg von erdölbasierten hin zu biobasierten Materialien und Produkten voran.
Zusammen mit anderen Designer:innen haben sie das Designstudio Circology gegründet. Circology ist ein Studio für Materialforschung und zirkuläres Produktdesign.
4. SOLVEIG GUBSER
Papiertinten
Parallel zu ihrer Arbeit als Designerin beschäftigt sich Gubser intensiv mit dem Medium der Zeichnung, Installation, Intervention und der Fotografie. Ihr Schwerpunkt ist das prozesshafte, generative Arbeiten, die durch serielles Arbeiten entstehende Bildsprache und den Möglichkeiten der Weiterentwicklung dessen. Zufallselemente, Vorgefundenes, Objekte und Beobachtungen aus ihrem Alltag und der Natur sind Inspiration und Ausgangspunkt ihrer Arbeit.
In den hier präsentierten Auszug aus ihrer Arbeit Papiertinten untersucht die Künstlerin die Rückführung von genutzten Farben auf dem und in dem Papier.
Hierfür dienen ihr Notizzettel, die während ihres künstlerischen Schaffens eine wichtige Quelle der Ideenfindung sind. Am Ende eines Projektes werden diese dann wiederverwertet durch die Extraktion der Tinten. Gefiltert, gesammelt und beschriftet werden sie anschließend in den hier gezeigten Flaschen verwahrt. Gubser untersucht im Anschluss, wie die Haltbarkeit der Tinten, die Lichtempfindlichkeit und deren erneute Verwendungsmöglichkeiten sind.
Solveig Gubser (1984) ist Designerin (Industrial Design, MA, UdK Berlin) und freischaffende Künstlerin aus der Schweiz. Zurzeit lebt und arbeitet sie in Dänemark.
5. LEONIE TSCHERNICH
Momi, 2024 – Momigami Technik, Papier, Wachs, Konnyaku-Stärke (Schuhprototype)
Das Schuhkonzept Momi nutzt Papier als Obermaterial, das durch die Momigami-Technik in ein stoffähnliches Material verwandelt wird, welches durch eine natürliche Wachsbeschichtung wasserabweisend wirkt. Dabei behält es die vorteilhaften Eigenschaften des Papiers bei, wie beispielsweise einfache Bedruckbarkeit, nahtlose Faltbarkeit und natürliche Färbbarkeit. Dies eröffnet unzählig neue Möglichkeiten im Farb- und Materialdesign von Schuhen.
Dieser Prototyp entstand im Rahmen des Semesterprojektes Paper Products an der Fakultät Design an der Technischen Hochschule Nürnberg unter der Leitung von Prof. Olaf Thiele im Modul Computer Generated Object Design.
2004 geboren, lebt und studiert Tschernich in Nürnberg. Hier studiert sie neben Typographie, Computer generierendes Objektdesign auch UI Design an der Technischen Hochschule Nürnberg.
6. JOY SCHOELLER
Etoui, 2024 – Zuckerrohr-Nebenprodukte, Baumwoll-Latex Gummi, Leim
Etoui steht für „Und ja“ im Sinne von Nachhaltigkeit, Stil und Design. Das Papier wird zu 100 % aus Zuckerrohr-Nebenprodukten hergestellt und mit einem Baumwoll-Latex-Gummi verschlossen. Damit bietet das Zahnpflegeetui allen Naturfreunden, ob Outdoor oder auf Reisen, eine nachhaltige Alternative zu herkömmlichen Plastik- oder Polyestertaschen.
Dieser Prototyp entstand ebenfalls im Rahmen des Semesterprojektes Paper Products an der Fakultät Design an der Technischen Hochschule Nürnberg unter der Leitung von Prof. Olaf Thiele im Modul Computer Generated Object Design.
Joy Schoeller absolvierte eine Ausbildung zur Technischen Anschauungsmodellbauerin im väterlichen Betrieb Leif Schoeller. Anschließend besuchte sie die Fachoberschule für Gestaltung in Nürnberg und studiert nun an der Technischen Hochschule Nürnberg Design mit den Schwerpunkten Computer Generated Object-, Grafik-, Raum- und Eventdesign.
7. NICHOLAS PLUNKETT
Fecal Matters, 2019 - Zellulose, Pektin, natürliche Färbemittel
Lobke Beckfeld, Elisabetta Goltermann, Nicholas Plunkett, Melissa Krame
Können wir wiedergewonnenes Hygienepapier als Kleidung am Körper tragen oder es gar als Essgeschirr verwenden? Woher rühren unsere Vorbehalte gegenüber diesem recycelten Material und lassen sie sich überwinden? Diesen Fragen widmeten sich Nicholas Plunkett, Elisabetta Goltermann, Melissa Kramer und Lobke Beckfeld im Forschungslabor
greenlab der Kunsthochschule Weißensee. Das übergeordnete Forschungsthema des greenlabs rückt die Circular Economy in den Fokus. Das Modell der Kreislaufwirtschaft setzt dem linearen Verwertungsmodell die grundlegende Idee der zyklischen Wiederverwendung entgegen: nicht biologisch abbaubare Materialien sollen kontinuierlich im Produktions- und Verwertungskreislauf gehalten werden, während biologisch abbaubares Material der Natur zurückgegeben wird und als Nährstoff dient.
In ihrem Entwurfsprojekt Fecal Matters untersuchten Nicholas Plunkett, Elisabetta Goltermann, Melissa Kramer und Lobke Beckfeld die Gestaltungspotenziale und möglichen Anwendungsbereiche von aus Abwässern wiedergewonnener Zellulose aus Toilettenpapier. Weltweit werden jeden Tag rund 83 Millionen Rollen Toilettenpapier hergestellt, für deren Produktion täglich etwa 27.000 Bäume für den internationalen Verbrauch gefällt werden. Das Projekt erforscht auf experimenteller und praktischer Ebene Möglichkeiten, den Wertstoff Zellulose in einen weiteren Materialkreislauf zu überführen und ihn zu Textilien zu verarbeiten.
Das Labor greenlab der Gestaltungsfachgebiete an der Weißensee Kunsthochschule Berlin vernetzt praxisorientierte Forschungsprojekte und Industrie mit dem Ziel, gemeinsam innovative Konzepte für nachhaltige und umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln.
8. RELEAF PAPER
Einkaufstüte – Recyceltes Stadtlaub
Releaf Paper ist ein junges, innovatives Unternehmen, das Grünabfälle in wertvolle Rohstoffe für die Papier- und Verpackungsindustrie verwandelt. Durch die Verbindung von wissenschaftlichem und unternehmerischem Enthusiasmus verändern sie die Wahrnehmung der Menschen in Bezug auf die verantwortungsvolle Nutzung von Ressourcen für die Papierherstellung.
Das Unternehmen wurde 2021 in der Ukraine durch die Zusammenarbeit eines talentierten Wissenschaftlers und eines erfolgreichen Unternehmers gegründet.
Releaf Paper nutzt aktiv Vertragsfabriken in der Ukraine und der EU, um Papier und Verpackungen mit der Releaf-Technologie herzustellen. Was als Forschungsprojekt eines 16-jährigen Schülers begann, hat sich innerhalb von fünf Jahren zu einem internationalen, dynamischen Startup-Unternehmen mit Büros in Paris und Kiew und globalen Ambitionen entwickelt.
9. TU MÜNCHEN, Campus Steaubing für Biotechnologie und Nachhaltigkeit – FELICITAS VON USSLAR, ALEXANDER HELMBRECHT, DR. CORDT ZOLLFRANK
Balsaholz am Ende delignifiziert
Buchholz, Querschnitte unbehandelt
Diverse Holzproben in verschiedenen Stadien der Oberflächendelignifizierung
Getrockneter Celluloseschaum – bestehend aus bakterieller Cellulose
Cottonid Muster
Das Projekt „Vom Holz zum Papier“ des Lehrstuhls für Biogene Polymere an der TU München zeigt die Transformation von Holz zu Zellulose und weiter zu Papier.
Ausgangsmaterialien wie Balsa- und Buchenholz werden chemisch delignifiziert, wobei das Lignin entfernt wird und die Zellulose-Struktur erhalten bleibt. Verschiedene Stadien der Delignifizierung werden dokumentiert, vom festen Holz über Zellulosefasern bis hin zu Papiervarianten. Zudem werden innovative Materialien wie bakterieller Celluloseschaum und Cottonid vorgestellt. Mikroskopische Aufnahmen veranschaulichen die strukturellen Veränderungen während des Prozesses. Das Projekt verdeutlicht die Umwandlung von Holz zu nachhaltigen Papier- und Zelluloseprodukten.
Dr. Cordt Zollfrank leitet den Lehrstuhl für Biogene Polymere der Technischen Universität München am Campus in Straubing. Alexander Helmbrecht arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Biogene Polymere der Technischen Universität München unter der Leitung von Prof. Cordt Zollfrank. Zuvor studierte er im Bachelor und anschließenden Master „Nachwachsende Rohstoffe“ an der TU München am Campus in Straubing. Zum 1. Oktober 2021 schloss er sich dem Lehrstuhl für Biogene Polymere an. Felicitas von Usslar arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Biogene Polymere der Technischen Universität München unter der Leitung von Prof. Cordt Zollfrank. Nach einem Grundstudium in der Chemie vertiefte sie im Master die Bereiche der Anorganischen und Angewandten Materialwissenschaften. Ein Forschungssemester an der Universität Stockholm verstärkte die Begeisterung für Cellulose-Forschung bevor sie sich dem Lehrstuhl Ende 2021 anschloss.
O.T., 2024 – Papierschichtungen, geklebt, geschnitten
Die Werke von Kulu Ojha sind mehr als Bilder – sie sind Raumerfahrungen. Sie wirken unmittelbar auf den Betrachter und eröffnen einen Dialog zwischen Innen- und Außenwelt, zwischen Bildfläche und Imagination.
Tief verwurzelt im kulturellen Erbe seiner Heimatregion Orissa, lässt er Elemente traditioneller Architektur und Geometrie in seine Arbeit einfließen – insbesondere aus den historischen Tempelanlagen. Gleichzeitig verarbeitet er kulturelle Einflüsse aus anderen Epochen, etwa die durchbrochenen Muster der Jalis aus der persischen Periode Indiens. So entstehen hybride Bildwelten, die Vergangenheit und Zukunft, Kultur und Natur, Realität und Fiktion in sich vereinen. Seine Arbeitsweise ist ebenso einzigartig wie zeitintensiv. Ojha komponiert seine Werke durch Subtraktion: Mehrlagig verleimte Papierflächen werden manuell geschnitten, einzelne Schichten freigelegt und schließlich als Bildtafeln zusammengesetzt. Es sind meditative Prozesse, die in ihrer Präzision und Detailverliebtheit eine fast kontemplative Wirkung entfalten.
Kulu Ojha, 1989 in Odisha, Indien, geboren, studierte Grafik an der M.S. University Baroda. Seine Arbeiten wurden u. a. auf der India Art Fair, bei Paper Positions Berlin und im Art Center Silkeborg Bad (Dänemark) gezeigt. Er war Artist in Residence in Mannheim und Kolkata. Ojha ist Gewinner des Paper Art Awards 2025 in Silber.
Ohne Titel (aus der Serie The Chinese Version), 2015 – Prägung auf Büttenpapier
Als Multimediakünstlerin umfasst Jias Praxis Installation, Skulptur, Fotografie und Performance. Jia, die in China und den USA studiert und gearbeitet hat und derzeit in Berlin lebt, reflektiert in ihren Arbeiten sowohl westliche als auch chinesische kulturellen Normen. Jia hinterfragt, wie sich unser kultureller Kontext auf die Art und Weise auswirkt, wie wir ein Bild lesen, sowie die Auswirkungen technologischer Entwicklungen auf die interkulturelle Kommunikation.
Jia interessiert sich nicht nur für die visuelle Sprache, sondern erforscht beispielsweise in ihrer Serie „The Chinese Version“ die Zusammenhänge zwischen den ästhetischen Qualitäten chinesischer Schriftzeichen und ihrer semantischen Funktion. 1952 verordnete Mao Zedong die Vereinfachung der chinesischen Schriftzeichen unter dem Vorwand, die Lese- und Schreibfähigkeit des Volkes zu verbessern. Jia hält diese Behauptung für einen Trugschluss, nicht nur, weil die Lese- und Schreibfähigkeit seitdem nicht zugenommen hat, sondern auch wegen des daraus resultierenden Verlusts an Ausdrucksmöglichkeiten.
Die Vereinfachung der chinesischen Schriftzeichen hat, wie Jia behauptet, die jahrhundertealte Fähigkeit der Kalligrafiekünstler untergraben, komplexe Ideen zu vermitteln, die sich sowohl auf das visuelle als auch auf das semantische Potenzial des geschriebenen Textes stützen. Jia argumentiert, dass wir durch die Einschränkung der Schriftsprache das kritische Denken einschränken, ein Mechanismus zur Kontrolle einer ganzen Bevölkerung. In den Werken der Serie „The Chinese Version“ verwendet Jia sowohl vereinfachte als auch „verlorene“ oder verbotene Schriftzeichen. Obwohl sie wie gedruckt erscheinen, hat Jia jedes Zeichen sorgfältig mit einem Pinsel gemalt. Bei dem im Museum ausgestellten Werk handelt es sich um eine Edition, bei der die Zeichen auf Papier geprägt sind.
Die 1979 in Peking geborene Künstlerin Jia ist Mitbegründerin von The Practice Society (of Independent Film) in China. Nach einem Architekturstudium an der North China University of Technology (Peking) machte sie ihren Master in traditionellem chinesischen Drama an der Chinese National Academy of Art (Peking). Seit 2009 lebt und arbeitet Jia in Berlin. Jia hat an zahlreichen internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen in Galerien und Museen teilgenommen. Im Jahr 2022 wurde Jia von ArtConnect als eine der Artists to Watch‘22 ausgewählt.
My Mirror, 2022 – Perforiertes Papier
Amparo Sard beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit dem Menschsein. In ihren Bildkompositionen erforscht sie das Gegenüber und Miteinander des eigenen Seins mit der sie umgebenden kollektiven Gedankenwelt.
In ihren fein gestochenen Papierarbeiten finden sich stets Selbstbildnis- se, kombiniert mit wiederkehrenden Symbolen und Bildelementen. Die Deutung ihrer teils stark verrätselten und auch – trotz aller realistischen Elemente – abstrakten Bildkompositionen, überlässt sie den Betrachtenden. Die von ihr entwickelte und perfektionierte Technik des Papier-Stechens ermöglicht ihr die präzise Darstellung von traumhaften und alptraum- haften Szenen und Wesen. Sie erschafft Mischwesen: Menschen, die mit Pflanzen, Orten, Kleidungsstücken oder Situationen verschmelzen. Wesen, deren Gliedmaßen natürlich erscheinen, jedoch in der Natur niemals so existieren könnten. In ihren Werken macht sie sich die Nachgiebig- und Formbarkeit des willigen Materials zunutze. Sie zwingt es mit der Nadel, mit Körperwärme und dem gelenkten Druck ihrer Hände in dreidimensionale Geschichten.
Amparo Sard ist 1973 in Mallorca, Spanien geboren. Sie studierte an der Universität de Barcelona sowie an der New School University in New York und erlangte den Doktorgrad 2018 an der Universität de Barcelona. Sie hat mehrere Preise erhalten u.a. den Golden Medal Award durch die italienische Regierung sowie den First National Award, Deutsche Bank Identity Competition in Berlin. Weltweit hat sie Einzel- und Gruppenausstellungen z.B. in den USA, den Niederlanden, Portugal, Deutschland und Marokko.